16. April 2024

Was ist eigent­lich ästhetisch?

Das war unser Event „beau­ty never dies“

Aris­to­te­les, Albrecht Dürer und Umber­to Eco – was uns gefällt, treibt uns seit Men­schen­ge­den­ken an. Die­se unge­bro­che­ne Fas­zi­na­ti­on für Ästhe­tik offen­bar­te bereits der Blick ins Publi­kum, als Chris­ti­na Blu­men­tritt vom Mar­ke­ting­club Nürn­berg und Nadi­ne Vicen­ti­ni von bay­ern design letz­ten Diens­tag ein „vol­les Haus“ im Gewer­be­mu­se­um begrüßten.

Die Mode­ra­to­rin und Design­his­to­ri­ke­rin Anne­li Kraft gab in ihrem Ope­ning zu den­ken: Einer­seits leben wir in einer über­äs­the­ti­sier­ten Welt – man den­ke nur an Social Media und Beau­ty-Fil­ter – und ande­rer­seits haben wir Orte und Objek­te geschaf­fen, vor denen man am liebs­ten sei­ne Augen ver­schlie­ßen wür­de. Wie geht das eigent­lich zusam­men? Unter ver­schie­de­nen Per­spek­ti­ven nah­men sich drei Spea­k­er der Bedeu­tung und Wir­kung von Ästhe­tik an.

Über Geschmack lässt sich nicht strei­ten – oder doch?

Micha­el Hein­rich von der Uni­ver­si­tät Coburg eröff­ne­te den Abend und stell­te klar, dass hin­ter dem Begriff „Ästhe­tik“ viel mehr als nur visu­ell erfahr­ba­re Schön­heit steckt, son­dern die Gesamt­heit der sinn­li­chen Wahr­neh­mung. Und die Wir­kungs­wei­se die­ser Sin­nes­ein­drü­cke ist – empi­risch beleg­bar – abhän­gig von drei Fak­to­ren: Wir emp­fin­den Din­ge als ästhe­tisch, wenn sie mit mensch­li­chen Grund­be­dürf­nis­sen, unse­rer Bio­lo­gie, Ver­bin­dung stehen.

Hein­rich macht den Punkt an einer arka­di­schen Ide­al­land­schaft aus der Male­rei deut­lich. Zwei­tens der Bio­gra­fie, unse­ren per­sön­li­chen Erfah­run­gen, Gewohn­hei­ten und unse­rer sozia­len Prä­gung. Und drit­tens der Kul­tur, wie etwa Sta­tus­sym­bo­le von Peer­groups. Ergeb­nis? Was ästhe­tisch ist und was nicht, ist zugleich eine per­sön­li­che als auch eine kol­lek­ti­ve Ange­le­gen­heit. Das heißt wie­der­um, über Geschmack kann man strei­ten, aber auch wie­der nicht. Wie der Abend noch zei­gen soll­te, ist das Gegen­sätz­li­che ein Kern­punkt in der Dis­kus­si­on um Ästhetik.

„Mit Schön­heit beschäf­ti­gen wir uns durch die Hintertür“

Der in Nürn­berg ansäs­si­ge Desi­gner Mari­us Schrey­er möch­te mit sei­ner Arbeit vor allem eines: die Men­schen begeis­tern. Dafür hat er für sich den Ansatz eines poe­ti­schen Funk­tio­na­lis­mus gefun­den und erläu­tert an kon­kre­ten Bei­spie­len aus dem Pro­dukt­de­sign, der Mar­ken­kom­mu­ni­ka­ti­on und der Innen­ar­chi­tek­tur anschau­lich sei­nen Ansatz. Schrey­er knüpft an eine Debat­te an, die Gestal­ter und Desi­gne­rin­nen schon seit Zei­ten des Werk­bunds und des Bau­hau­ses beschäf­tigt: Wie sind Funk­ti­on und Ästhe­tik an einem Objekt zu bewer­ten? Und sind Emo­tio­nen nicht auch eigent­lich eine Funk­ti­on von Design?

Für Schrey­er ist klar, dass Ästhe­tik im Kon­text erlebt wird. Zum Abschluss demons­triert Schrey­er sein Kon­zept von Ästhe­tik: Ein prä­his­to­ri­scher Faust­keil. Opti­ma­le Ver­bin­dung von Form und Funk­ti­on, 1,7 Mil­lio­nen Jah­re alt, auf wei­ßen Hin­ter­grund einer Power­point-Folie gesetzt. Das Publi­kum applaudiert.

Ästhe­tik braucht Kontext

Unter der Fra­ge „Wor­über spre­chen wir, wenn wir über Ästhe­tik spre­chen?“ näher­te sich Jür­gen Schulz von der UdK Ber­lin dem The­ma an. Für ihn ist Ästhe­tik auch ein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­gang, der – so macht es Schulz live auf der Büh­ne vor – auch viel mit Über­ra­schung zu tun hat. So lie­ße sich auch die take-home mes­sa­ge des Abends for­mu­lie­ren: Es ist das Zusam­men­spiel, dass ästhe­tisch macht. Und die­ses lebt oft von sei­nen Gegen­sät­zen: Von Licht und Schat­ten, von Ein­fach­heit und Kom­ple­xi­tät, vom Monu­men­ta­len und Ver­gäng­li­chen, von Schön­heit und Häss­lich­keit. Eine abschlie­ßen­de Defi­ni­ti­on gibt es nicht, denn ästhe­ti­sche Para­me­ter müs­sen immer wie­der aufs Neue aus­ge­lo­tet wer­den. Sicher ist: ein ästhe­ti­scher Ent­wurf braucht viel Zeit und regt zur gemein­sa­men Dis­kus­si­on an.

Ein Q&A rundete die Veranstaltung ab. (Foto: bayern design/Laura Kniesel)
Ein Q&A rundete die Veranstaltung ab. (Foto: bayern design/Laura Kniesel)
Diskussion im Q&A. Im Vordergrund: Ein zerknüllter Bogen Papier mit dem Jürgen Schulz im Kontext seines Vortrags den Überraschungsmoment nutzte. (Foto: bayern design/Laura Kniesel)
Diskussion im Q&A. Im Vordergrund: Ein zerknüllter Bogen Papier mit dem Jürgen Schulz im Kontext seines Vortrags den Überraschungsmoment nutzte. (Foto: bayern design/Laura Kniesel)

Der Vor­trags­abend zum Titel „beau­ty never dies“ ist Teil der bay­ern design Ver­an­stal­tungs­se­rie „per­spec­ti­ves by design“ und wur­de in Koope­ra­ti­on mit dem Mar­ke­ting­club Nürn­berg durchgeführt.